Das Verlasspferd

Meistens begegnet mir dieser Begriff in Pferdegesprächen, wenn jemand beschreibt, was er wollte oder was ihm angepriesenen wurde, als man sein Pferd kaufte. Es sollte ein “gut ausgebildetes, nervenstarkes, reitwilliges Pferd mit klarem Kopf” sein. Was sich später als alles Mögliche, aber eben nicht das heraus stellte. Dabei wollte man doch einfach nur in Ruhe ausreiten.

Meine Sicht auf sogenannte Verlasspferde ist sicherlich eine gefilterte, weil wenige Menschen Pferdegespräche beauftragen, deren Pferde immer nur brav tun, was sie sollen. Dennoch möchte ich ausdrücken, dass wohl kaum ein Pferd einfach nur ein Verlasspferd ist oder wird. Denn es ist ein Pferd. Und kein Objekt. Auch Pferde durchlaufen Phasen in ihrem Leben, erleben Verluste und Krankheiten, schlüpfen in verschiedene Rollen und verändern sich aufgrund von vielen Umständen. So wie Menschen. Stell dir vor, man würde von dir den Rest deines Lebens verlangen, ein Verlassmensch zu sein. Der immer dasselbe tut, niemals nachfragt wozu und dabei immer garantiert, dass diejenigen, die dich benutzen, niemals böse überrascht werden. Ein Mensch, der für immer so funktioniert, wie andere es von ihm erwarten. Das klingt für mich wie meine persönliche Hölle.

Wenn dir jemand ein Verlasspferd verkaufen möchte, solltest du direkt hellhörig werden. Gerade Pferde, welche so intensiv und geradlinig ausgebildet worden sind, dass sie angeblich alles mitmachen, neigen dazu, dann endlich in Obhut eines echten Freundes, ihres Bezugsmenschen, zusammen zu brechen. Der Druck, schon so früh im Leben vermittelt zu bekommen, dass man nur bestehen darf, wenn man sich den Menschen versklavt, macht viel mit einem Pferd. Viele leiden darunter psychisch und physisch stark. Sehr viele der ganzen Wehwehchen und Verhaltensprobleme von Pferden, die irgendwie immer etwas zu haben scheinen, stammen genau davon. Es dauert dann oft Jahre, solche Pferde wieder aufzubauen und ihnen beizubringen, selbstbewusst und freudig mit Menschen Dinge zu erleben und glücklich und gesund sein zu dürfen.

Wenn du ein Jungpferd hast, was gut ausgebildet werden soll, dann vergiss, was es werden soll und geh mit ihm den Weg. Genauso, wenn du ein Pferd hast, was mit den Anforderungen nicht klar kommt. Gib es nicht in fremde Hände, sondern such dir maximal Hilfe auf einer Ebene, wo ihr beide gehört und in euren individuellen Fähigkeiten und Wünschen gesehen werdet. So kannst du dein Pferd selbstbewusst und glücklich aufwachsen oder sich weiter entwickeln lassen, damit ihr gemeinsam im Vertrauen schöne Momente erlebt. Ein Verlasspferd wird es nie geben, ein Vertrauenspferd aber schon. Und das ist ein echter Freund fürs Leben.

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