Ein Thema, welches mir regelmäßig in Pferdegesprächen begegnet. Ein Thema, welches so viele, tragische Missverständnisse in der Pferdewelt beinhaltet. Ein Thema, welches Grundlage so vieler, hausgemachter Pferdekrankheiten ist. Und leider auch ein Thema, welches negativ behaftet ist: Pferde, die Vielfraße. In den Kursen lachen viele Teilnehmer, wenn ein Pferd äußert, dass es am liebsten frisst. Dass es von grünen, saftigen Wiesen träumt oder von Bergen von Hafer, Äpfeln oder Karotten. Wir haben gelernt, dass ein agressiv ins Gras ziehende Pferd an der Hand ungehorsam und verfressen ist, faul vermutlich auch noch. Doch was sagen die Pferde dazu?
Viele Pferdemenschen haben schon verstanden, dass 24 Heu für fast alle Pferde ein gesundheitsbringender, notwendiger Segen ist. Die meisten von ihnen denken aber, dass diese Rauhfütterung nebst synthetischer Mineralversorgung alles ist, was ein Pferd braucht. Viele denken, dass wenn ein Pferd nicht arbeitet, es auch kein weiteres Futter braucht. Es gibt genügend Wildpferd- und Fütterungsexperten, die aus wissenschaftlicher Sicht erklären könnten, warum Pferde was fressen sollten, aber ich gehöre nicht dazu. Ich kann nur sagen, was die Pferde selbst äußern. Ich versuche, hier die wichtigsten und häufigsten Aspekte aus Pferdegesprächen im Bezug auf Fütterung zu beschreiben:
- Kraftfutter:
Sehr viele Pferde wünschen sich in den Pferdegesprächen mehr bzw überhaupt Kraftfutter. Sie zeigen mir große Mengen, meist Hafer, manchmal auch andere Komponenten. Sie zeigen mir Getreide. Wenn ich das äußere und die Menschen berichten, was ihr Pferd denn an Kraftfutter bekommt, dann ist es meistens gar nichts oder es wird von kleinen Mengen industriell gefertigter Mischungen gesprochen („Dieundie Firma ist ja sehr gut…“), deren Inhaltsstoffe fast ausnahmslos getreidefrei und abenteuerlich sind. Meistens sogar werben diese Hersteller damit, dass besonders wenig Energie darin sei. Das ist nicht das, was Pferde mit Kraftfutter meinen. Sie meinen Futter, welches ihnen Kraft gibt in adäquaten Mengen. 500g für 500kg Körpergewicht sind extrem wenig. Sie meinen energiereiches Getreide. Meistens ist das Hafer.
Bei dem Wort Hafer schreien innerlich viele Pferdemenschen auf. Haben wir doch gelernt, dass unsere Pferde von Hafer wild werden, fett oder auch krank. DAS GEGENTEIL IST DER FALL. Ich schreibe das groß, damit es deutlich wird: Hafer bzw gutes Kraftfutter bringt den Organismus des Pferdes in Schwung. Es füllt Lücken, die getrocknetes Gras nie füllen kann. Es bringt ein Sättigungsgefühl, was bei uns mit einem großen Teller dampfender Kartoffeln vergleichbar ist. Die wichtigen Bestandteile des Hafers machen das Pferd gesund, glücklich und fit. Es gibt sehr viele, unterernährte Pferde mit dicken Bäuchen und hohlen Augen, die angeblich abnehmen müssen. Wenn diese Pferde in den Pferdegesprächen fast schon verzweifelt eine große Menge Kraftfutter wünschen und die Menschen sich dann tatsächlich trauen, dem nach zu kommen, passiert Folgendes: Der Bauch wird kleiner, weil die Verdauungsorgane endlich wieder das verdauen dürfen, was ihnen fehlte, sie müssen also weniger aufgebläht sein. Die Muskeln werden gestärkt und wachsen, das Pferd wird runder um die Schultern und das Becken, alles sieht straffer aus, aber nicht speckiger. Es wird fröhlicher, lebhafter und ruhiger, weil es weniger Hunger und Mangel leidet. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass dies besonders oft von Pferden laut wird, die eben nicht oder kaum „gearbeitet“ werden. Fast alle Pferde benötigen Kraftfutter, weil ihnen durch die einseitige Fütterung mit unserem artenarmen Gras und Heu einfach zu viel fehlt. Ein durchschnittliches Pferd wünscht sich zwischen 2 bis 8 Liter Getreide am Tag, um gesund und fit zu bleiben.
- Heu:
Wie schon erwähnt haben Pferde das ganz große Bedürfnis, immer Zugang zu Rauhfutter zu haben. Nur sehr kranken Pferden, deren hausgemachte Stoffwechselstörung schon zu weit fortgeschritten ist, tut eine Rundumheuversorgung nicht mehr gut. Für alle anderen Pferde gilt: Sie benötigen Heu in großen Mengen immer zur Verfügung. 2 oder 3 x tägliche Heufütterung mit der in Fütterungsrichtlinien angegebenen Menge verursachen bei fast allen Pferden Hunger. Dieser Hunger tut weh, es ist ein drückender Schmerz im Bereich des Magens und des Darms. Ein Pferd ist physiologisch nicht auf Fresspausen ausgelegt und das Gefühl, was Pferde mir vermitteln, die in Hunger ausharren müssen, ist leidvoll, angstvoll und schmerzhaft. Aus diesem Hungergefühl entsteht extrem häufig eine gewisse Herdenagression, die unter den Pferden ausgelassen wird. Von diesem Hunger bekommen unsere Pferde schlechte Laune und sie werden davon krank. Ihre Verdauungsorgane verkomplizieren sich ohne ständige Rauhfuttergabe.
Viele Pferde beschweren sich über die Qualität oder auch die Energiedichte des Heus. Zum Glück wissen Pferdehalter fast immer, was ihr Pferd meint, wenn es sich zum Heu äußert. Da ist der Kenntnisstand unserer menschlichen Sicht schon recht weit fortgeschritten. 1. Schnitt, 2. Schnitt, Staub, Geruch etc, das alles nehmen Pferde so wahr, wie wir es bewerten. Ein Pferd, was zu mageres Heu frisst, bekommt ebenso Hunger und wünscht sich meist große Mengen an Kraftfutter für die Energiegabe. Schlechtes Heu ist durch viel und gutes Kraftfutter einfach über einen nicht zu langen Zeitraum auszugleichen. Fehlendes Heu allerdings ist nur durch Gras zu ersetzen.
- Gras:
Wir alle kennen die grasversessenen Pferde, die besonders jetzt, kurz vor dem Anweiden, fast schon verrückt werden, wenn sie nicht an frisches Grün dürfen. Sie gelten als ungezogen und verfressen. Tatsächlich brauchen Pferde frisches Gras. Alle von ihnen. Nicht nur im Sommer. Es ist nicht einfach, das für Pferde zu bewerkstelligen, da die heutige Pferdehaltung selbstverständlich so tut, als wäre Heu ein ganzheitlicher Grasersatz. Aber Heu ist totes, getrocknetes Gras. Eine Tüte Trockenobst wird mir gut tun, aber ein Teller frischer Obstsalat macht mich gesund. Ernährte ich mich den ganzen Winter nur von Trockenobst, hätte ich im Frühjahr ein körperliches Defizit und würde mich auf jeden Apfel stürzen, ohne verfressen zu sein. Gras ist ein sehr, sehr wichtiger Bestandteil für die Gesundheit des Pferdes. Und jetzt Obacht: Ganz besonders kranke Pferde brauchen Gras! Kolikpferde, Rehepferde, stoffwechselkranke Pferde brauchen Gras. Sie brauchen Gras, welches lang gewachsen ist und welches artenreich ist. Jedes Pferd sagt mir das und sie haben Recht. Sie brauchen es dringend, denn es enthält lebendige Vitalstoffe, welche das Pferd optimal versorgen. Gutes, gewachsenes, artenreiches Gras ist DIE Nährstoffquelle eines jeden Pferdes. Kaum ein Pferd sieht besser aus, als wenn es im Sommer auf der vollen, artenreichen, nicht abgefressenen Wiese steht. Wird sein Bauch von der Wiese zu dick oder wird es speckig, dann liegt das nicht an „zu viel Gras“, sondern an falschem, einseitigem Gras und zu wenig Kraft- und Rauhfutter, an gestörtem Stoffwechsel durch jahrelange Mangelernährung. Pferde müssen lebendiges Gras pflücken dürfen, zu jeder Jahreszeit, so regelmäßig, wie nur möglich. Pferde, die monatelang oder jahrelang kein Gras fressen dürfen, haben ein fast schon verrücktes, gerechtfertigtes Verlangen danach. Sie erleiden einen existentiell wichtigen Mangel. Es macht sie glücklich, sich lebendig und gesund von Gras ernähren zu dürfen.
- Mineralien:
Pferde wünschen sich oft organische, lebendige Mineralien und nicht synthetische, die in den meisten Mineralbrickets oder Pellets vorhanden sind. Können diese nicht über lebendiges Grün- und Saftfutter aufgenommen werden, lohnt es sich, einen guten Hersteller organischer Mineralien zu suchen (HBD z.B.). Der Mineralmangel ist nicht sehr häufig Thema in den Pferdegesprächen, Hunger aufgrund fehlendem Kraftfutter oder Heu ist weitaus häufiger.
- Saftfutter:
Viele Pferde wünschen sich alle möglichen Obst- und Gemüsesorten oder auch Wurzelsorten und Zweige neben ihrer oben beschriebenen Fütterung. Ganz besonders im Winter, wenn keine Grasversorgung gegeben ist, können lebendige Früchte Pferden helfen, das zu bekommen, was ihrem Körper derzeit mangelt. Manche Pferde probieren fast alles gern über Fenchel, Rüben, Kohlrabi, Kartoffeln, Beeren, Melonen, Bananen, Papayas, Zitronengras, Kurkuma, Ingwer usw. Andere Pferde sind da zu sehr geprägt und mögen das meiste nicht mal probieren. Ein Pferd selbst wählen zu lassen, ist eine einfache Variante, es an lebendige Vitalstoffe kommen zu lassen. Auch hier dürfen die Mengen groß sein! Noch kein einziges Pferd hat zu mir gesagt: „Die Fruktose tut mir nicht gut.“, das ist ein Irrglaube.
Insgesamt ist es wichtig, zu verstehen, dass die angewöhnte Haltung, den Pferden wenig bis gar nichts an Vielem des oben Beschriebenen zukommen zu lassen, kontraproduktiv ist. Von zu wenig und einseitigem Futter werden Pferde krank, nicht von zu viel! Hufrehe entsteht nicht durch Gras, sondern durch falsche Hufbearbeitung und Mangelernährung. Kolik ensteht nicht durch Futter, sondern durch Stress und Hunger und dem verzweifelten Versuch, diesen auszugleichen. Dicke Bäuche sind nicht fett gefressen, sondern aufgebläht durch Mangel.
Bitte traut euch, die Mangelernährung eures Pferdes abzustellen.
PS: Wenn du selbst lernen möchtest, mit Pferden zu sprechen, schau hier: Pferdeflüsterer Ausbildung.