Was ist real? Was ist fake? Was bilde ich mir nur ein und was ist wahrhaftig? Diese Fragen stellen sich meine Schüler oft, wenn sie lernen, zu telepathieren. Bevor ich diese Arbeit begann, war ich lange sicher, dass so etwas wie Telepathie nur das Hirngespinst von Verwirrten sein kann. Ich hätte jede Erklärung zur Wahrhaftigkeit davon weg rationalisiert, hätte alles durch psychische Einbildung oder Manipulationstechniken versucht zu erklären. Meine bestätigte Wahrheit war, dass es so etwas nicht gibt. Niemand hätte meine Meinung ändern können. Die Gesellschaft, die Wissenschaft, alle hätten mir zugestimmt.
Dann habe ich es selbst erlebt. Erst an meinem Hund, dann in eigenen Tiergesprächen. Nach sehr vielen Übungsgesprächen musste ich feststellen, dass Tiere wirklich mit uns sprechen können. Es war eine einfache Rechnung: Wenn über 90% der Fakten aus Tiergesprächen ohne Fragestellungen mit wildfremden Tieren, die ich nie getroffen habe und deren Menschen ich nie gesehen oder gesprochen habe, stimmen, dann kann das kein Zufall sein. Das musste ich mir eingestehen. Diese neue Wahrheit in hat damals mein Leben komplett auf den Kopf gestellt. Ich musste meinen Job als Zootierpflegerin an den Nagel hängen und, aus demselben Grund, direkt danach noch zwei weitere Jobs als Gestütsleiterin und dann als Filmtiertrainerin. Es war nicht mehr vereinbar, mit Tieren zu sprechen, die aus wirtschaftlichen Zwecken gehalten werden. Also begann ich meine Selbstständigkeit. Das ist nun 13 Jahre her und bis heute bin ich hauptberufliche Tierkommunikatorin.
Jeder hat seine Wahrheiten. Man kann ganz felsenfest davon überzeugt sein, dass Pferde nur gebisslos geritten werden dürfen, das Umfeld wird es einem bestätigen. Man sieht unzählige Negativbeispiele, das eigene Pferd mag keine Gebisse, man selbst findet die Vorstellung schrecklich und es gibt wichtige Studien, die die Wirkung von Gebissen horrormäßig erklären. Jemand anderes meint, das Gebisse helfen und dass gebissloses Reiten nie wirkliche Verbindung zum Pferd schaffen kann. Sein Umfeld wird ihn bestätigen: Gebisslos juckelt die Freizeitreiterin im Stall auf ungesunde Weise auf ihrem Cushing-Pferd durch die Gegend, welches beim Reiten völlig zerfällt. Das eigene Pferd nimmt freudig sein Gebiss und brummelt, wenn es damit seine Lektionen perfektioniert. Man hat Studien gelesen, die die gymnastizierende Haltung des Pferdes beim Reiten durch Gebisseinwirkung mit weicher Hand bestätigen.
Beide Wahrheiten sind real und beide sind fake. Selbst die Studien kommen durch ein einfaches Phänomen zu ihren Ergebnissen: Gedanken kreiren die Realität. Wenn ich etwas Bestimmtes unbedingt beweisen möchte, werde ich (bewusst oder unbewusst) die Umstände so kreiren, dass sie zu meiner Wahrheit passen. Das, was ich visualisiere, ziehe ich automatisch an.
Durch die unzähligen Tiergespräche habe ich eins gelernt: Ich darf in dieser einen Stunde einen kurzen Einblick in ein Leben erhalten, welches ein eigenes Universum ausfüllt. In dieser einen Stunde darf ich durch dieses kleine Fenster schauen, die Perspektive des Pferdes einnehmen und seine Wahrheiten kennenlernen. Ich darf spüren, sehen und hören, wie es sein Leben und seine Umwelt wahrnimmt. Ich habe gelernt, dabei nichts zu kategorisieren, zu interpretieren oder zu bewerten. Denn damit versuche ich bloß, die Welt dieses Pferdes in meine eigenen Schubladen zu pressen. Würde ich das tun, fiele an den Seiten Wichtiges einfach ab, damit die Wahrheit zu meiner passt. Dann hätte ich kein Pferdegespräch geführt, sondern dem Pferd bloß halb zugehört. Dasselbe gilt natürlich für den dazugehörigen Menschen. Wenn ich meine Arbeit gut mache, wird nicht nur der Horizont der beiden Gesprächspartner erweitert, sondern meiner gleich mit. Meine Gedanken ändern sich durch diese neue Sichtweise. Mein Gehirn findet neue Wege, mein Geist dockt immer mehr bei anderen Gedankenfeldern an, die außerhalb meines Tellerrandes existieren.
Meine Wahrheit ändert sich. Jeden Tag. Ich weiß, dass ich nichts weiß. Und das ist gut so.