Aus tausenden Pferdegesprächen kristallisiert sich für mich heraus: 1. Pferde gehen mit den allermeisten Ideen der Menschen übers Reiten nicht konform und 2. Pferde tragen ihren Menschen dennoch sehr oft gern. Was kann man als Mensch also tun, um das Reiten als beidseitiges Vergnügen zu gestalten und was wünschen sich Pferde von Menschen, wenn es ums Reiten geht?
Die erste, wichtige Information dazu ist, wie immer: Pferde sind sehr individuell. Es gibt wenige, enthusiastische Sportpferde, die es richtig toll finden, Extremleistungen in ihrem Bereich zu vollbringen. Die meisten aber leisten aus Angst, Druck und Wahllosigkeit. Ebenso gibt es Pferde, die gern im Kreis reiten und Lektionen immer wieder wiederholen. Aber auch das sind nur wenige “Nerds”, die meisten langweilen sich dabei und fühlen sich geknechtet. Die meisten reitfreudigen Pferde genießen es, ihren Menschen durch die Natur zu tragen und dabei gemeinsam unterwegs zu sein. Es ist wichtig, dein Pferd zu fragen, ob und wie es reiten möchte.
Die nächste, wichtige Information ist, dass nur weil ein Pferd etwas gut macht, es nicht heißt, dass es das gern macht. Und nur, weil ein Pferd etwas nicht hin bekommt, heißt es nicht, dass es das nicht machen möchte. Es weiß dann vielleicht nur noch nicht, wie das richtig geht. Mir begegnet es beispielweise sehr oft in den Pferdegesprächen, dass Pferde sagen, sie würden gern ausreiten. Der Besitzer aber das Feedback gibt, dass es kaum möglich wäre, auszureiten, weil das Pferd dabei ständig scheut oder umdrehen möchte. In diesen Fällen ist es meistens so, dass das Pferd keine gute Ausbildung erlebt hat, sondern eine, die unter Druck und Zeitdruck passiert ist. Solchen Pferden fehlt das Selbstbewusstsein, ihren Menschen gut zu tragen und selbstständig unsichere Situationen zu durchreiten oder Neues gemeinsam mit dem Reiter zu verarbeiten. Selbstsicheres Handeln vom Pferd sollte die Basis des Reitens sein. Denn wie soll man die Verantwortung über jemandem auf seinem Rücken übernehmen, wenn man selbst nicht sicher ist, was man tut?
Wenn man rohe, noch nicht auf eine bestimmte Leistung getrimmte Pferde fragt, wie sie gern reiten möchten, dann stimmen die Aussagen sehr viel überein. Das von Pferden gewünschte Reiten sieht dann ungefähr so aus:
Die Idee von “Ich reite mein Pferd” sollte sich zunächst verändern in “Ich lasse mich von meinem Pferd tragen.” Was mit diesem Gedankenwechsel einher kommt, ist primär: Ich bin nicht dazu da, meinem Pferd vor zu geben, wie es sich zu bewegen hat oder wie es seinen Körper halten sollte, wenn es mich trägt. Ich sollte verstehen, dass ich hier oben Gast bin und mein Pferd selbst heraus finden darf und muss, wie es mich am besten trägt. Natürlich kann ich nach fragen, was ihm helfen würde. Aber NIEMALS sollte ich Theorien anderer Menschen blindlinks übernehmen, in der Annahme, sie würden meinem Pferd gut tun. Denn das tun sie in vernichtend hoher Prozentzahl eben nicht. Wirklich nicht. Bitte glaub den Pferden, nicht den Menschen. Dein Pferd wünscht sich, dass es dich tragen darf. Nicht, dass du es manipulativ besetzt.
Ich schmeiße also alle Reittheorien weg. Wie ich sitzen soll, was ich können muss. Was mein Pferd machen soll, wie ich es bewegen muss. Wie oft es geritten werden muss, was es an Bodenarbeit fürs Reiten braucht etc. Und dann lasse ich mich tragen. Ich sitze also auf dem Pferd und ENTSPANNE mich. Das allein schon ist schwierig für viele Reiter. Kein klemmendes Bein, keine Hacke unten, keine Armhaltung. Einfach entspannen, wie auf dem Sofa. Sich bewegen lassen, mitfließen. Am besten geht das ohne Sattel, mit einem Pad. So, wie es sich die Pferde allermeistens wünschen. Mit einem Pad tut nichts weh, nichts klemmt oder drückt, die Muskeln werden geschont und dein Gewicht verteilt sich automatisch ganz natürlich und bleibt auf dem Pferderücken in Bewegung, weil ihr euch beide bewegt. (Ja, wirklich! Sättel helfen wirklich nicht dem Pferd). Mit dem Pad hat das Pferd das Gefühl, dich besser zu spüren und mit dir mehr im Einklang zu sein. Dein Pferd geht also los und du versuchst, dich in deiner Mitte locker zu machen. Schwing etwas im Becken mit. Wenn es dir hilft, mach den Rücken etwas krumm oder lehne dich dabei nach hinten, damit du mehr Bewegungsfreiheit im Becken hast. Und nicht vergessen: Entspannen! Mitfließen.
Wenn du nach links reiten möchtest, lehnst du dich mit dem Oberkörper etwas nach links vorn. Ca. dort hin, wo dein Pferd hin treten soll. Du öffnest die linke Hand, nimmst also den Zügel nach links herüber, ohne daran zu ziehen. Deine Hand geht dort hin, wo dein Pferd hin soll. Dein Gewicht ist links vorn, dein rechtes Bein liegt etwas an, als würdest du ganz sanft damit sagen: Da rüber bitte, wie ein sanftes Schieben. Dasselbe gilt umgekehrt für rechts: Zügel öffnen, rechte Hand nach rechts, Oberkörper nach rechts vorn, Gewicht mitnehmen, linkes Bein anlegen, als würdest du den Bauch damit umarmen und das Pferd sanft nach rechts schieben. So fühlt es sich für das Pferd natürlich und verständlich an.
Anhalten geht am besten, wenn du die Zügel annimmst und dabei deinen Körper anspannst, also die Beine anlegst und zu machst, dich etwas nach vorn lehnst und dazu noch ein verbales Signal nimmst. Das klemmende Bein ist unangenehm fürs Pferd, so dass die natürliche Reaktion des Pferdes auf plötzliches Anspannen deines Körpers ist: “Huch, was hast du?” und es stehen bleibt. Einen verspannten Körper trägt man sehr viel schwieriger, als einen, der in der Bewegung mit fließt. Probier es mal aus, wenn du jemanden Huckepack trägst. Oder vielleicht bist du schon mal Motorrad gefahren und hattest jemanden hinten drauf, der ängstlich verspannt war und sich nicht in die Kurve legen wollte. Es ist dann nicht wirklich möglich, zu fahren.
Losgehen oder schneller gehen bedarf meist kaum eines Signals. Denn gesunde Pferde, die gern reiten, laufen gern, wenn sie einmal gelernt haben, wie man Menschen trägt. Sie müssen nicht dazu motiviert werden, sich zu bewegen. Es reicht dann meist schon der Gedanke, dass man traben möchte, um sie in Gang zu bringen. Manche Pferde brauchen eine klitzekleine Beinhilfe. Wie ein schnelles, sehr leichtes Anstupsen mit den Füßen, also die zehn Mal schwächere Version des “Treibens”, aber einmalig. Dazu lässt man die Zügel länger und nimmt ein verbales Signal. All das nur, wenn das Pferd nicht sowieso schon den Gedanken gelesen hat.
Und das war es schon. Die Kunst, sich auf dem Pferd zu entspannen und wirklich kaum einzuwirken, sich tragen zu lassen und mit der Bewegung mitzugehen, ist so anders, als das klassische Reiten, was viele lernen, dass es einiger Übung bedarf und bei geübten Reiten vor Allem ein “Entlernen” statt finden muss, bevor sich die neue Haltung einstellen kann. Es also erst einmal hin zu bekommen ist, NICHT das zu tun, was man immer getan hat. Auch Pferde, die es gewohnt sind, einen klemmigen, invasiven Reiter auf sich zu haben, tun sich manchmal mit der neuen Leichtigkeit anfangs schwer. Aber Achtung: Meistens liegt es an dir, wenn dein Pferd sich beschwert, wenn du versuchst, mit Pad zu reiten oder etwas anders zu machen. Denn vermutlich verspannst du dich dabei noch zu sehr und das ist für das Pferd dann unangenehm und nicht machbar. Als ich beispielsweise meinen Wallach Milan zu reiten begann (er war damals ein 14-jähriges, ehemaliges Westernturnierpferd), ließ ich den Sattel schnell weg und benutzte ein Pad. Bei unserem ersten Galoppversuch im Gelände buckelte er und blieb stehen. Ich fragte nach, was los sei und er sagte: “Du musst dich bitte entspannen, so geht es nicht” und beim nächsten Mal achtete ich darauf, mit wirklich entspannten Beinen mich tragen zu lassen und einfach nur zu balancieren. Er hat seitdem nie wieder mit mir gebuckelt und wir galoppieren mit über 50km/h durch die Gegend. Ich habe meistens einen Halsring dabei, um mich fest zu halten, wenn er los legt, damit es mich nicht vom Pferd fegt.
Pferdegerechtes Reiten fällt also wem am leichtesten? Dem, der nichts übers Reiten weiß. Das gilt für Pferde, sowie auch für Menschen. Wenn du also gern mit deinem Pferd als Einheit, die Spaß zusammen hat und die sich einfach sicher und richtig zusammen fühlen, unterwegs sein möchtest, aber dir von anderen sagen lässt, wie das gehen soll, dann schmeiß diese Theorien bitte in den Müll. Es ist so viel einfacher und schöner, wenn ihr es gemeinsam heraus findet. Es gehört so viel weniger dazu, als du denkst. Eigentlich bedarf es nur etwas Mut, gegenseitiges Vertrauen, die Fähigkeit, sich von seinem Pferd lehren zu lassen. Dazu die Fähigkeit, sich gegenseitig zuzuhören und gegenseitigen Respekt. Das “wie” erarbeitet ihr dann ganz für euch selbst. Niemand kann euch dann mehr sagen, dass das falsch ist. Weil es für euch so stimmig ist.
Viel Spaß dabei!