Die neue Dressur

Manchmal frage ich mich, was wir unsere Pferde eigentlich nicht machen lassen können. Ich habe das Gefühl, alles schon gesehen zu haben. Sie steigen, sie rennen, sie werfen sich in den Sand, sie rollen sich auf den Rücken und lassen Menschen sich auf ihren Bauch setzen. Sie sitzen, sie folgen, sie gehen durchs Feuer. Alles für uns.

Ich kann es nicht mehr sehen. Ja, ich weiß sehr wohl, dass man mit der richtigen Überzeugungskraft und Technik fast jedes Tier zu fast Allem kriegen kann. Ich habe selbst als Fimtiertrainerin gearbeitet, allerdings nur kurz. Denn mir stellte sich immer schon die Frage: Wozu?

Was wollen wir uns da beweisen? Seht her – ich dominiere mein Pferd! Aber so, dass es aussieht, als würde es das freiwillig machen. Ich habe es dahin geklickert, gehorsemanshipt, drangsaliert, ausgetrickst, bis es verstanden hat, dass es am besten ist, jede meiner Forderungen zu erfüllen. Ich habe es davon überzeugt, buchstäblich nach meiner Pfeife zu tanzen. Und wenn es jetzt in der Freiarbeit giftend hinter mir her läuft, dann ist das sicherlich nur, weil Pferde das halt so machen. Hauptsache, mein Pferd steigt noch höher, als andere. Hauptsache, es sieht bei mir noch toller aus, als bei den anderen.

Wirklich? Ist das der Sinn einer guten Freundschaft zwischen Pferd und Mensch? Neulich sah ich mir ein Video einer äußerst berühmten Frau an, die ihre Pferde angeblich ganz frei reitet. Das Video ging los, sie wollte die Basics vom freien Reiten erklären. Dann kam ein Close-Up auf ihre Stiefel. Ich traute meinen Augen kaum: Sie hatte in ihre Stiefel Sporen integriert. Keine angezogen, nein. Sie waren schon Teil des braunen, harmlos aussehenden Stiefels! Das Metall blitzte und ich klickte weg. Sie hat die Dinger tatsächlich auch überdeutlich eingesetzt. Kein Wunder, dass das Pferd alles machte, was sie verlangte – es wurde mit Schmerz bedroht. Denn ja, Sporen tun weh, ob du es willst, oder nicht. Deshalb gibt es sie ja, ansonsten würde deine Hacke für eine feine Hilfe wohl reichen, oder? Oder bist du so grobmotorisch? Nein, dachte ich mir.

Viele andere reiten neuerdings „ganz frei“ und haben dabei aber anstatt Zügeln gleich zwei Gerten dabei, eine in jeder Hand. Nur zum Zeigen, ist klar. Jedes Pferd weiß, wozu Gerten in der Lage sind. Die Feinen unter ihnen, und das sind die meisten, werden sich auch davon nachdrücklich beeindrucken lassen.

Wohin ich auch sehe – die echte Verbindung, die echte Kommunikation auf Vertrauensbasis bleibt selten. Die, in der beide froh sind. Keiner den anderen dominieren oder drangsalieren muss. Und interessanterweise findet sich diese echte Verbindung eben nicht bei den tollsten Trainern oder bei den erfolgreichsten Tricksern. Sondern bei den leisen Menschen, die ihr Pferd haben, weil sie es lieben. Nicht, weil sie es vorführen wollen. Diese Menschen finde ich in meiner Arbeit in allen Sparten des Reitens. Es gibt sie mit Sattel oder ohne, im Sportstall oder hinterm Haus. Sie sind fast nie extrovertiert oder fragen Dinge wie: „Wieso macht mein Pferd nicht Diesunddas mit mir?“, sondern sie stellen mir Fragen wie: „Mag mich mein Pferd? Was kann ich tun, damit es ihm noch besser geht? Mag es geritten werden?“. Auf die letzte Frage ist die Antwort bei den Pferden dieser Menschen meistens ein „Ja.“

Immer, wenn es nur darum geht, etwas mit deinem Pferd zu erreichen, bist du auf dem Holzweg. Es ist nicht dazu da, um zu machen, was du willst. Es hat eine Meinung. Ich weiß, dass es nicht immer einfach ist, diese anzuhören und wirklich ins Gericht mit dir zu gehen. Ich weiß es aus eigener Erfahrung, denn meine Stute ist ein echtes Wildpferd. Sie ist nah am Tarpan und empfindet das Reiten nicht als Priorität. Sie möchte lieber weit gucken, weiden, sich mit mir kraulen, meinem Wallach Milan eine Gattin sein und ein Fohlen bekommen. Reiten, das fand sie immer schon etwas merkwürdig. Also lasse ich meinen Traum davon, wie wir frei übers Feld fliegen, einfach gehen.

Ich habe 8 ganze Jahre gebraucht, um zu kapieren, wie egoistisch es von mir war, das für uns zu wollen. Ich weiß, seitdem ich sie kenne, dass ich das mehr möchte, als sie. Ich dachte, ich tue ihr damit auch einen Gefallen. Wollte sie immer wieder davon überzeugen. War geduldig, mutig, nett, deutlich und so weiter. Dabei sagt sie den Menschen in meinen Kursen und mir seit Tag 1, was sie wirklich von mir will: Mit mir leben und einmal Mutter sein. Jetzt nehme ich die Aufgabe endlich an. Und lasse mich auf das 3. Pferd in meinem Leben ein, es wird bei uns Zuhause geboren. Ich freue mich unbändig und bin gespannt, was es von mir möchte.

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